“Lösch doch einfach die App.”

So leicht klingt der Ratschlag, wenn es darum geht, sich von sozialen Medien zu lösen.
Ein paar Symbole vom Homescreen entfernen – und schon ist man frei. Oder?

Leider nicht.

Für viele von uns sind soziale Netzwerke längst nicht mehr nur Plattformen. Sie sind Gewohnheit, Alltag, Identität.
Wir suchen auf Facebook nach Events, halten auf Instagram fest, wie cool unser Leben (vermeintlich) ist, und versinken stundenlang in TikTok-Loops, die uns hypnotisch durch fremde Leben scrollen lassen.

Ein Leben ohne soziale Medien? Unvorstellbar.
Aber noch viel schwerer: Wer bin ich ohne sie?

Die Feeds sind endlos, genau wie das Bedürfnis nach Ablenkung.
Wir wechseln von Story zu Story, von Krise zu Krise, von Reiz zu Reiz – als gäbe es kein Unten in dieser Grube aus Likes, Kommentaren und Benachrichtigungen.

Und ganz ehrlich: Viele von uns können nicht mal mehr…
… essen, ohne zu scrollen
… auf die Toilette gehen, ohne zu swipen
… warten, ohne aufs Display zu starren

Es ist tief. Es ist Gewohnheit. Es ist Abhängigkeit.

Aber – und das ist das Tröstliche:
Es gibt Menschen, die den Schritt gewagt haben.
Die bewusst offline gehen.
Die ihre digitale Identität hinterfragen.
Die nicht zurück in die Steinzeit fallen – sondern vorwärts gehen.

Sie sind keine Aussteiger, sondern Wegweiser.
Sie zeigen uns, dass ein post-soziales Leben nicht Entzug bedeutet, sondern Befreiung.

Ein Leben, in dem wir nicht von Likes definiert werden.

Ein Leben, das wieder uns gehört.


KEIN NETZ – KEIN STRESS

Ich versuche nicht, eine technikfeindliche Erzählung darüber aufzubauen, wie soziale Medien unser Leben ruinieren.
Aber ich gebe zu – ich bin fasziniert von diesen Neo-Neandertalern der digitalen Welt:
Jugendliche mit Tastenhandys, die begeistert erzählen, dass man auf Instagram-Stories jetzt auch Reaktionen schicken kann – als sei das gerade erfunden worden.

Diese Begegnungen fühlen sich an, als würde man mit schrulligen Außerirdischen sprechen, die aufgeregt mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm klatschen, ohne sich den Gepflogenheiten der modernen Aufmerksamkeitsspaltung vollkommen zu unterwerfen.
Natürlich – ganz so einfach ist es nicht.

Die Menschen, die versuchen, ihr Leben außerhalb der sozialen Medien zu führen, sind nicht einfach von den Bäumen gefallen. Im Gegenteil: Sie gehen uns voraus.
Sie sind nicht Rückschritt – sie sind Wegweiser.
Sie zeigen uns, dass ein Leben nach dem Digitalrausch möglich ist.
Ein Leben auf gesünderer Basis, in dem wir uns nicht ständig selbst ausbeuten – für ein Like, eine Nachricht, ein Gefühl von Dazugehören.

Denn wenn wir den Kopf mal wirklich aus dem tiefen Brunnen der sozialen Netzwerke ziehen und uns fragen,
„Was mache ich hier eigentlich?“
– bleibt oft Stille.

Warum höre ich alle paar Minuten auf, diesen Text zu schreiben, um auf Instagram zu checken, ob mir jemand geschrieben hat?
Ob jemand meine Story auf Grindr gesehen hat?
Ob mir überhaupt jemand zugehört hat?

Wie kommt es, dass ich mit der einen Hand noch die witzig-klugen Sätze der Digital-Verweigerer zitiere –
während die andere Hand ziellos TikToks mit Teppichreinigung, Rasenmähen und Perfect-Pour-Kaffee durchwühlt?

Selbst die „Aussteiger“, die diesen toxischen Raum zumindest streckenweise verlassen haben,
fallen zurück – so wie man in eine alte Beziehung zurückfällt, die einem nicht guttut und trotzdem vertraut ist.

Und doch: Ihre Einblicke in ein post-soziales Leben
in Momente, in denen kein Algorithmus das Bewusstsein filtert –
sind befreiend.
Nicht perfekt. Nicht endgültig. Aber menschlich.
Sie erinnern uns daran, was es heißt, wirklich präsent zu sein –
nicht ständig zu senden, zu performen, zu scrollen.

Sie geben uns – uns allen, die noch in der Schleife hängen –
einen Hauch von Hoffnung,
dass da draußen noch etwas anderes möglich ist.

Die Shampoo-Zutaten und ich

Wir können nicht mal mehr auf die Toilette gehen, ohne unser Handy mitzunehmen.
Mal ehrlich – wann haben wir aufgehört, einfach nur zu sitzen?

Haben wir jemals darüber nachgedacht, wie absurd es ist, dass wir heute zig verschiedene Apps nutzen, um am Ende mit den gleichen Leuten zu reden?
Es gibt Menschen mit einem normalen Profil, dann ein Finsta (Fake-Instagram) und dann noch ein Super-Privatprofil – wusstest du das? Ich drehe fast durch.

Und klar, ich bin auch nicht perfekt. Wenn man nichts zu tun hat, greift die Hand automatisch zum Handy.
Aber der Unterschied?
Ich lerne gerade, den Moment zu genießen, ohne ihn sofort teilen zu müssen.

Ohne zu beweisen, dass mein Leben aufregend ist. Ohne zu zeigen, dass ich Spaß habe.

Sogar in der Erotikbranche – selbst da ist man nicht automatisch abgemeldet, nur weil man kein Instagram hat.
Wir vergessen manchmal, dass man Menschen auch noch im echten Leben treffen kann. Ja, wirklich.

Seitdem ich aufgehört habe, mir Bestätigung über Instagram zu holen,
fühle ich mich selbstbewusster denn je.
Ich bin einfach ich – ohne Filter.

Ich habe mal jemanden auf Instagram kennengelernt, der wirkte wie der coolste Typ überhaupt.
In echt war er ein totaler Idiot.
Und plötzlich merkt man: Ein gutes Profil ist kein guter Charakter.

Manchmal beobachte ich die Menschen um mich herum –
alle mit gesenktem Kopf, alle hypnotisiert vom Bildschirm.
Merken wir eigentlich, wie traurig dieses Bild ist?

Und an Tagen, an denen ich nur am Handy hänge,
habe ich am Abend das Gefühl, diesen Tag einfach verschwendet zu haben.

Aber ich sage dir was:
Heute gehe ich gerne ohne Handy auf die Toilette.
Ich lese stattdessen, was auf den Shampoos steht.
Wirklich – es wird mir nicht schaden. Und irgendwie beruhigt es mich.